Rede zur Migration über die polnisch-belarussische Grenze: „Eine große Herausforderung, die sich bewältigen lässt“

Am 27. Oktober 2021 kam der Brandenburger Landtag zu einer Sondersitzung zusammen. Die AfD-Fraktion hatte eine „Aussprache des Landtages über die dramatisch wachsende illegale Migration im brandenburgischen Abschnitt der deutsch-polnischen Grenze und die Ablehnung von durchgehenden Grenzkontrollen durch Innenminister Michael Stübgen“ verlangt. Dazu hielt Marie Schäffer folgende Rede, die sich hier auch als Video anschauen lässt:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben die Bilder gesehen und die Berichte über das, was an der polnisch-belarussischen Grenze aktuell passiert, vernommen. Menschen in Not werden zu Spielbällen gemacht, Menschen, die am Rande des Verdurstens oder Erfrierens stehen, wird teils selbst die nötigste Hilfe vorenthalten. Es gibt glaubwürdige Berichte von illegalen Pushbacks und Gewalt.

Die EU darf nicht wegschauen und ignoreren, was an dieser Grenze gerade vor sich geht – wie sie es am Mittelmeer leider zu oft getan hat. Die am meisten betroffenen Länder – dazu gehört im Moment unter anderem Polen – müssen unterstützt werden. Gleichzeitig muss in der EU wirksam sichergestellt werden, dass Menschenrechte überall jederzeit gelten und eingehalten werden.

Eine der vordringlichsten Aufgaben der neuen Bundesregierung wird sein, eine gemeinsame sowie auf humanitären Werten und den universellen Menschenrechten basierende europäische Flüchtlingspolitik aufzubauen, denn die aktuelle Situation verletzt erstens Menschenrechte von Personen, die zu schützen wir verpflichtet wären, und schwächt zweitens die Europäische Union als Ganzes. – So weit in aller Kürze zur schwierigen geopolitischen Lage, an der wir aus dem Land Brandenburg heraus nur sehr begrenzt etwas ändern können.

Über die Forderungen der AfD müssen wir hier, glaube ich, nicht allzu ausführlich reden.

Die Grenze zu Polen zu schließen hätte gleichzeitig massive Auswirkungen auf Pendlerinnen und Pendler, den Warenverkehr und auf alle Menschen im Grenzgebiet, ohne dass dadurch auch nur ein einziger Mensch, der entschlossen ist und für den es um Leben und Tod geht, aufgehalten würde. Dass Sie hier so tun, als würden Sie sich ausgerechnet mit dieser Maßnahme an die Seite Polens stellen, ist, gelinde gesagt, absurd. Ihre Vorschläge sind – wie so häufig in diesem Haus – menschenfeindlich, schädlich und dabei sogar nach Ihren eigenen Maßstäben nutzlos,
liebe AfD.

Worüber wir hier stattdessen reden sollten, ist die Frage, was Brandenburg abseits von geopolitischen Forderungen tun kann und tun muss. Unsere vordringlichste Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Menschen, die hier ankommen, gut untergebracht werden, erst einmal zur Ruhe kommen und es dann ein rechtsstaatliches, ordentliches Verfahren gibt. Unsere Aufgabe ist es auch, dafür zu sorgen, dass die Belastungen insbesondere für die Menschen, die im Grenzgebiet wohnen, möglichst gering gehalten werden; denn natürlich gibt es aufgrund der aktuellen Situation Verunsicherung. Unser Anspruch ist und muss es sein, dem entschieden entgegenzutreten, und zwar mit guter Organisation bei der Bewältigung der Herausforderungen sowie mit Dialog und Kommunikation.

Selbstverständlich gelten weiterhin zu jedem Zeitpunkt die Grundsätze unseres Rechtsstaates. Wenn rechtsextreme Gruppierungen glauben, sie könnten ihr vermeintliches Recht in die eigene Hand nehmen und an der deutsch-polnischen Grenze Menschenjagden veranstalten, muss und wird dem mit aller Entschiedenheit Einhalt geboten werden. Milizen, die Menschen in Notsituationen terrorisieren, werden wir in Brandenburg niemals dulden, und wir werden mit allen Mitteln des Rechtsstaates und der Zivilgesellschaft gegen diejenigen vorgehen, die Hass und
Gewalt in unserem Land säen wollen.

Unsere vordringlichste Aufgabe für den Moment ist es, das erste Ankommen gut zu organisieren. Das stellt insbesondere die Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstatt vor erhebliche Herausforderungen. Ich bin sehr beeindruckt davon, in welchem Tempo dort die notwendigen Kapazitäten geschaffen wurden, um eine
funktionierende Erstaufnahme zu sichern. Ich konnte mich vor Ort von den Anstrengungen überzeugen und möchte mich für das, was dort geleistet wird, an dieser Stelle ganz herzlich bedanken!

Als Nächstes muss für diejenigen, die erst einmal in Brandenburg bleiben werden, eine gute Unterbringung in den Landkreisen gesichert werden. Auch das wird eine große Herausforderung. Wir wissen, dass viele von denen, die jetzt ankommen, aufgrund der Lage in den Herkunftsländern für längere Zeit hierbleiben werden. Deshalb sind eine gute Unterbringung und die Integration vor Ort für unser gutes Zusammenleben in Brandenburg besonders wichtig. Wir werden besondere gemeinsame Anstrengungen unternehmen müssen, um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken und die Integration vor Ort gelingen zu lassen.

Meine Damen und Herren, ja, die Situation ist eine große Herausforderung für das Land. Aber sie lässt sich bewältigen, wenn wir sie gemeinsam zügig angehen. Genau dafür werden wir Bündnisgrünen uns mit allem Nachdruck einsetzen. Ich bin auch an dieser Stelle sehr dankbar dafür, dass es bei uns eine starke Zivilgesellschaft gibt, die immer wieder über sich hinauswächst und auch in einer solch herausfordernden Situation einen unschätzbaren Beitrag zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft leistet.

Meine Damen und Herren, den Antrag der AfD, der nichts tut, außer wieder einmal aktuelle Ereignisse zu nutzen, um Spaltung und Hass zu verbreiten, lehnen wir selbstverständlich ab. – Vielen Dank.

Quelle: Plenarprotokoll 7/53 27.10.2021

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