Rede von Marie Schäffer, MdL (Bündnis 90/Die Grünen) zum Antrag „Offene Daten für Brandenburg“ am 19. Mai 2019. Es gilt das gesprochene Wort. Der RBB hat eine Aufzeichnung der Rede und den abschließenden Redebeitrag am Ende der Debatte veröffentlicht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer
ich möchte zum Einstieg in das Thema „Offene Daten“ mit einem Zitat aus einem Radiointerview beginnen:
„Wir fordern die maschinenlesbare Regierung. Mit Hilfe der Computer und der Netzwerke ist so etwas einfach möglich (…) Daten transparent zu machen. Diese Technologie existiert dazu. Es ist nur die Frage, wie sie eingesetzt wird. (…) Es ist ja auch ganz klar: Handeln tut man aufgrund von Informationen; wer keine Informationen über die Welt hat, ist nicht in der Lage, in dieser Welt richtig zu agieren. Insofern ist es in einer Demokratie unumgänglich, dass alle Daten, die von der Regierung produziert oder von der Regierung gesammelt werden, der Öffentlichkeit auch wieder zugänglich gemacht werden.“
Interview im SDR 3 mit CCC-Vertretern „Andy“ und „Bernd“ am 4. Juni 1988 unter dem Titel „Daten raus – umsonst und sofort“ aus: Die Hackerbibel Teil 2 (Seite 10)
Bemerkenswert ist an diesem Zitat von Vertretern des Chaos Computer Clubs nicht primär sein Inhalt, sondern vor allem der Zeitpunkt: Es stammt aus dem Juni 1988.
Schon seit Beginn der zunehmenden Verbreitung von Computern gab es diese Vision einer „maschinenlesbaren Regierung“. Und im Großen und Ganzen beschreibt das auch heute ganz gut das Ziel, auf das wir mit diesem Antrag hinarbeiten wollen. Die Digitalisierung gibt uns die Möglichkeit, Daten transparenter zu machen als bisher. Sie werden in einer Form veröffentlicht, dass sie automatisiert, also eben für Maschinen lesbar, weiterverarbeitet werden können.
Meine Damen und Herren,
dass die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen etwas langwieriger und mühseliger ist, als sich das manch einer 1988 vorgestellt hat, haben wir ausführlich erlebt. Dementsprechend ist die Verwaltung heute, 32 Jahre nachdem diese Vision formuliert wurde noch ein gutes Stück davon entfernt voll digital zu sein. Aber wir sind doch inzwischen an einem Punkt, wo mit den bestehenden und geplanten technischen Gegebenheiten sehr viel mehr möglich wäre, als wir bisher nutzen.
Auch der Grundgedanke, dass staatliches Handeln transparent und nachvollziehbar sein muss, hat sich im Laufe der Jahre fest verankert. Brandenburg war hier Vorreiterin und hat 1998 mit dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) deutschlandweit erstmalig eine Rechtsgrundlage geschaffen, nach der Bürgerinnen und Bürger viele Informationen des Staates einsehen können.
Nun ist es an der Zeit, dem Thema Akteneinsicht ein Update zu geben und es an das digitale Zeitalter anzupassen. Dann was sowieso schon in guter Qualität digital verfügbar ist, sollte doch nicht mit viel Aufwand für alle Seiten einzeln von Bürgerinnen beantragt und von Verwaltungsmitarbeiterinnen geprüft werden müssen.
Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag und zuletzt auch hier im Landtag im Beschluss zum Tätigkeitsbericht Akteneinsicht der LDA festgelegt, dass wir mit einem Open Data-Gesetz die Grundlage für eine weitreichende proaktive Veröffentlichung von Verwaltungsdaten legen und dabei eine enge Verzahnung mit den bisher bestehenden Regelungen zum Informationszugang sicherstellen werden.
Wir wollen in dieser Legislaturperiode dem Prinzip Open Data zum Durchbruch verhelfen!
Wofür machen wir das Ganze? Der Begriff „maschinenlesbare Regierung“ vom Anfang bringt uns der Antwort näher. Gut definierte Datenstrukturen und Schnittstellen ermöglichen es, Daten sinnvoll weiterzuverarbeiten. Und zwar nicht nur für Wirtschaft und Zivilgesellschaft, sondern ganz wesentlich auch für die Verwaltung selbst, die von einer guten Datenhaltung selbst am meisten profitieren kann.
Dass sieht man sehr schön daran, dass dort, wo gute Open Data-Portale bereits aufgebaut worden sind, Behörden im Austausch untereinander immer häufiger auf die angestammten Wege verzichten und Informationen stattdessen lieber im gut durchsuchbaren und jederzeit zugänglichen Bürgerportal nachschlagen.
Mit einer guten, durchdachten datenstrategie werden wir unsere Verwaltung moderner und besser machen!
Aber ein Kernpunkt unserer Initiative für ein Open Data-Gesetz ist natürlich auch die Stärkung der Transparenz. Wir wollen uns gemeinsam auf den Weg machen zu einem Kulturwandel: weg vom Amtsgeheimnis dahin, dass Daten der öffentlichen Hand selbstverständlich auch in die Hand der Öffentlichkeit gehören!
Dabei sind selbstverständlich immer ausgenommen personenbezogene Daten und Informationen, die sicherheitsrelevant sind.
Aber es gibt eben auch sehr vieles, was veröffentlicht werden kann und für Bürger*innen interessant ist. Seien es die Pegelwerte des Flusses im Dorf, die gemessene Schadstoffbelastung vor der Haustür, Informationen zu verschiedenen Schulen, die Berechnungsgrundlagen der Kita-Beiträge, der Zustand von Straßen oder vieles mehr.
Das, was engagierte Mitarbeiter*innen in unserer Verwaltung jeden Tag leisten, schafft auch einen Mehrwert in Form von Daten, und es macht Sinn diese Daten der Allgemeinheit zur Weiternutzung zur Verfügung zu stellen.
Durch nachnutzungsfreundliche Lizenzen und maschinenlesbare Formate wird es dann möglich, dass aus diesen Daten neue Anwendungen und eine neue Wertschöpfung entstehen.
Ein schönes frühes Anwendungsbeispiel für den Raum Berlin/Brandenburg war die Verbindung von Geodaten mit den Verkehrsinformationen des VBB. Dadurch kann ich etwa die folgende Frage beantworten: „Suche mir alle Orte, die ich mittels ÖPNV innerhalb von X Minuten von einem Punkt aus erreichen kann“. Wenn man nun noch aktuelle Wohnungsangebote darüberlegt, kann dies für viele geplagte Wohnungssuchende auf der Suche nach dem Kompromiss zwischen Pendelzeiten und erschwinglichem Wohnraum eine unschätzbare Hilfe sein.
Seien es die Zivilgesellschaft, Journalist*innen oder Unternehmen: sie alle können aus offenen Daten einen Mehrwert für unsere Gesellschaft schaffen. Eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie von 2020 geht von einem Marktvolumen für Open Data bis 2025 in der EU von 200 bis 300 Milliarden Euro aus.
Zu der Vision einer automatischen, maschinenlesbaren Veröffentlichung aller nicht schutzbedürftigen Verwaltungsdaten ist es ein langer Weg, der weder heute mit Beschluss dieses Antrags noch mit dem Inkrafttreten unseres künftigen Open Data-Gesetzes vollendet sein wird.
Wir fangen nicht bei Null an: Wir können auf das bestehende Open Data-Portal des Landes aufbauen, den Datenadler und auf die Erfahrungen aus bereits erfolgreichen Projekten. Dabei will ich besonders hervorheben die im Januar 2020 vollzogene Veröffentlichung von Brandenburger Geodaten nach Open Data-Standards. Gerade Geodaten sind vielfältig in verschiedensten Bereichen nutzbar. Nicht zuletzt zum Beispiel von der Openstreetmap-Community, die mit viel Engagement eine freie Alternative zu den großen Kommerziellen Kartendiensten anbietet und dabei auch ein Ökosystem für diverse kreative Projekte liefert.
Nun gehen wir darauf aufbauend den nächsten großen Schritt und werden bis Ende des Jahres einen Datenzensus veröffentlichen, also eine Aufstellung der vorhandenen Datensätze und ihres Veröffentlichungsstatus. Mit diesem stetig aktualisierten Zensus wird eine fundierte öffentliche Debatte möglich werden, darüber, an welchen Datensätze das Interesse besonders groß ist und wie der Fortschritt ist. Damit kann ganz konkret nachvollzogen werden, welche Gründe jeweils bisher eine Freigabe verhindern und dann anhand dieser Fakten zu entscheiden. Das ist absolut essentiell, denn wir werden erst einmal priorisieren müssen, auf welche Bereiche wir die Anstrengungen konzentrieren. Mit dem Zensus schaffen wir die Grundlage, diese Debatte offen und faktenbasiert zu führen um mit den vorhandenen Mitteln möglichst schnell viel zu erreichen.
Wir stellen mit diesem Antrag einen klaren Zeitplan auf. Wir wollen bis zum 1. Quartal 2022 eine Datenstrategie erarbeiten, bis dahin sollen wichtige Vorarbeiten geschehen zu technischen Fragen, zu den nötigen Prozessen in der Verwaltung und zur Einbindung der Daten von Dritten, insbesondere im Bereich Mobilität und Infrastruktur, die gerade für ländliche Räume besonders relevant sind. In diesem Bereich gibt es bereits tolle Initiativen wie bspw. Neuland 21, die nur darauf warten, dass solche Daten freigegeben werden um damit vor Ort mit viel Kreativität Verbesserungen für die Menschen zu schaffen. Auf Basis dieser Vorarbeiten werden wir dann ein weitgehendes Open Data-Gesetz entwickeln.
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich beim Innenministerium bedanken für viele ausführliche Gespräche zu den komplexen Detailfragen in diesem Themenbereich.
Nun freue ich mich darauf, diese gute Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Umsetzung unserer ambitionierten Ziele fortzuführen. Ich möchte Sie alle hier im Haus dazu einladen, den weiteren Prozess zu begleiten und diesem Antrag heute zuzustimmen.
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