Demokratie

Für uns bedeutet Demokratie mehr als Parlamentarismus. Und Demokratie ist kein starrer Rahmen, sondern ist einem steten Wandel unterworfen. Diesen Wandel wollen wir aktiv im Sinne demokratischer Willensbildung voranbringen.

Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen zur Landtagswahl 2019

Das übergreifende Thema, mit dem ich mich seit Langem befasse und das mir auch als Abgeordnete sehr am Herzen liegt, ist die Zukunft der Demokratie.

In Zeiten von Rechtspopulismus und zunehmender sozialer Spaltung müssen wir stärker denn je um Teilhabe für alle und den Zusammenhalt der Gesellschaft kämpfen. Wir müssen diejenigen, die sich ungehört und abgehängt fühlen, aktiv in die demokratischen Prozesse einbeziehen. Durch das Erlebbarmachen politischer Prozesse, echte Möglichkeiten zur Mitbestimmung und ein fortschrittliches Transparenzgesetz können wir eine Basis für neues Vertrauen schaffen.

Direkte Demokratie

Direktdemokratische Instrumente sollen und können die parlamentarische Demokratie nicht ersetzen. Aber sie sollten als sinnvolle Ergänzung nicht weiter unnötig eingeschränkt werden. Ich bin der Meinung, dass man Bürger*innen zumuten kann, sich mit Themen auseinanderzusetzen und z.B. auch bei finanziellen Auswirkungen verantwortungsvoll zu entscheiden. Dies wird auch von bisherigen Erfahrungen mit der direkten Demokratie ganz überwiegend unterstrichen.

Im Bundesvergleich hinkt Brandenburg bei der direkten Demokratie hinterher. Wir wollen sie stärken, unter anderem mit folgenden Maßnahmen:

  • Weniger Themenbereiche komplett ausschließen. Das heißt:
    • Finanzwirksame Volksbegehren auf Landesebene zulassen.
    • Abstimmung auch über Themen der Bauleitplanung auf kommunaler Ebene.
    • Den Negativkatalog in der Kommunalverfassung auf die Bereiche Haushaltssatzung, Pflichtaufgaben nach Weisung und Auftragsangelegenheiten sowie Anträge mit gesetzwidrigem Ziel beschränken.
  • Quoren maßvoll absenken.
  • Freie Unterschriftensammlung für Volksbegehren erlauben, sodass niemand mehr zur Unterschrift aufs Amt fahren muss.
  • Anteilige Kampagnenkostenerstattung für Volksbegehren und Volksentscheide.
  • Fristen für Bürgerbegehren gegen Entscheidungen der Kommunalvertretungen verlängern.
  • Termine von Abstimmungen und Wahlen zusammenlegen.
  • Für rein lokale Themen Bürgerbegehren auf Orts- und Stadtteilebene ermöglichen.

Warum mir direkte Demokratie gerade auch auf kommunaler Ebene ein Anliegen ist, habe ich hier aufgeschrieben. Leider wird sich an den Regeln zur direkten Demokratie in Brandenburg in dieser Legislaturperiode wenig ändern, da wir für unsere Forderungen in diesem Bereich keine Mehrheit gefunden haben. Dies bedaure ich sehr, denn damit wird in Brandenburg weiterhin am traditionellen Misstrauen und Angst gegenüber den Bürger*innen festgehalten anstatt mutig den Diskurs zu suchen – gerade bei Themen, die die Gemüter erhitzen. Trotzdem werde ich mich weiterhin bei jeder Gelegenheit für eine Stärkung direktdemokratischer Elemente einsetzen. Eine kleine aber wichtige Verbesserung konnten wir allerdins erreichen: für Bürgerbegehren und Volksinitiativen soll es zukünftig möglich sein, eine vorgezogene Zulässigkeitsprüfung zu bekommen. Das kann viel Frust ersparen, wenn Initiativen am Ende einer aufwendigen Sammelaktion lange auf die Zulässigkeitsprüfung warten müssen oder erfahren, dass ihre Initiative als unzulässig eingestuft wird.

Bürgerbeteiligung

Neben dem aufwändigen und formalen Rahmen der direkten Demokratie kann auch Bürger*innenbeteiligung in dialogischen Verfahren eine sinnvolle Ergänzung zur Arbeit in den Parlamenten sein.

Solche Verfahren können einen wichtigen Beitrag leisten, um mögliche Interessenkonflikte zu erkennen und möglichst auch zu lösen. Vor allem aber ermöglichen sie eine zielgerichtete, an konkreten Inhalten orientierte Debatte darüber, wie wir unsere Gesellschaft organisieren wollen, die allen offen steht.

Im Koalitionsvertrag konnten wir erreichen, dass auf Landesebene ein Beteiligungsportal aufgebaut wird, wo Bürger*innen wichtige Gesetzesvorschläge der Regierung kommentieren und diskutieren können. Ich werde dieses Projekt sehr intensiv begleiten und setze mich dafür ein, dass es möglichst umfassend und für alle gut benutzbar ist, sowie natürlich für eine möglichst starke integration in den Gesetzgebungsprozess – denn Bürgerbeteiligung kann nur dann wirken, wenn die Regierung die Ergebnisse wirklich ernst nimmt. Die Online-Beteiligung muss meiner Ansicht nach immer begleitet werden von Beteiligungs- und Diskussionsformaten „in der echten Welt“, die gezielt betroffene Bürger*innen einbezieht. Der Koalitionsvertrag sieht dafür eine umfassende Beteiligungsstrategie und eine Koordinierungsstelle in der Staatskanzlei vor. Wenn diese Vereinbarung gut umgesetzt wird, kann Brandenburg in Puncto Bürgerbeteiligung einen richtig großen Schritt nach vorne machen!

Transparenz

Alle Formen der Demokratischen Teilhabe beruhen auf einer gemeinsamen Grundvoraussetzung: dass Mündige Bürgerinnen und Bürger informiert diskutieren und entscheiden können. Wir wollen eine Debattenkultur, die auf der Basis von Fakten und gegenseitigem Respekt zu einem echten Austausch von Argumenten führt. Der Eindruck von Mauschelei und zurückgehaltenen Informationen gefährdet diese Debattenkultur, vereinfacht populistische Meinungsmache und verhindert eine umfassende Willensbildung. Wir stehen daher ein für klare Transparenzregeln, politische Bildung und einen fairen Umgang miteinander.

Parteitagsbeschluss „Demokratie verteidigen und weiter entwickeln“ von 2017

Ich trete dafür ein, dass Verwaltung und Politik grundsätzlich alle Dokumente und sonstige Daten, die sie produzieren öffentlich zur Verfügung stellen sollen – proaktiv, maschinenlesbar und unter freier Lizenz. Ausnahmen müssen eng begrenzt und gut begründet werden, z.B. wenn personenbezogene Daten betroffen sind.

Eine strukturierte, gut durchsuchbare Veröffentlichung ermöglicht eine neue Augenhöhe bei Debatten, da alle Beteiligten sich ohne Aufwand Zugang zu den Fakten verschaffen können. Viele andere Staaten sind uns hier weit voraus, und auch innerhalb Deutschlands haben bspw. mit Hamburg und Bremen andere Bundesländer schon gezeigt, dass es geht.

Unsere Forderung nach einem umfassenden und modernen Transparenzgesetz konnten wir in der Koalition leider nicht durchsetzen. Dennoch können wir einen entscheidenden Schritt nach vorne gehen in den nächsten Jahren: mit dem vereinbarten Open-Data-Gesetz kann erreicht werden, dass weite Teile der anfallenden Verwaltungsdaten zukünftig standardmäßig veröffentlicht werden. Ich werde mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass das Gesetz modernen Standards entspricht, möglichst weitgehend den Anspruch erfüllt, einen tatsächlichen Mentalitätswandel hin zu „open by default“ zu erreichen und dass es sich sinnvoll in die bestehenden Rechtsgrundlagen für Informationszugang integriert.

Für eine neue politische Kultur des Miteinanders

Eine lebendige Demokratie lebt vom Mitmachen, vom Einmischen. Viel zu viele Menschen resignieren mit immer wieder gehörten Sätzen wie „Die da oben machen doch eh was sie wollen“. Ich halte diese Entwicklung für höchst gefährlich für unser Allgemeinwesen.

Deswegen kann es nicht nur darum gehen, wie bisher beschrieben, Hürden für Beteiligung abzubauen oder neue Möglichkeiten zu schaffen. Es muss auch auf allen Ebenen eine echte Beteiligungskultur gefördert und gelebt werden. Deswegen sind Hinterzimmer-Entscheidungen besonders gefährlich: „Basta-Politik“ verstärkt Politikverdrossenheit und Resignation und gefährdet damit den Zusammenhalt der Gesellschaft.

Denn wenn das Vertrauen, dass Entscheidungen fair zustande kommen einmal verspielt ist, ist es nur sehr schwer zurückzugewinnen. Und wer dem Prozess der Entscheidungsfindung nicht vertraut, ist anfällig für populistisches Gerede von „dem Volkswillen“, der nur endlich durchgesetzt werden müsse.

Deshalb will ich mich, in allem was ich tue, dafür einsetzen, eine Kultur des Miteinanders, einen achtsamen und fairen Umgang miteinander und einen Dialog auf Augenhöhe in unserem Land zu fördern.

Weiterführende Informationen

  • Parteitagsbeschluss „Demokratie verteidigen und weiter entwickeln“. Mit diesem Beschluss, an dem ich intensiv mitgearbeitet habe, haben Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg auf dem Landesparteirat am 01.04.2017 seine Grundsätze für eine demokratische Gesellschaft festgeschrieben. Viele der oben angesprochenen Themen werden darin ausführlich behandelt.
  • Im Wahlprogramm zur Landtagswahl 2019 finden Sie im Kapitel 3.4 unsere Forderungen zum Thema Demokratie sowie einige konkrete Projekte, die wir nach der Wahl schnellstmöglich angehen wollen.
  • Zum Thema Transparenzgesetze in anderen Bundesländern empfehle ich das Transparenzranking von der Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. und Mehr Demokratie e.V. .