Statement zur Beilegung des „Potsdamer Schulstreits“: Erleichterung und Bedauern

Die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung hat gestern mit der Billigung des Umzugs der Gesamtschule „Am Schloss“ nach Krampnitz den sogenannten „Potsdamer Schulstreit“ beigelegt. Die Zerschlagung des Oberstufenzentrum I – Technik Potsdam ist damit abgewendet.

Die Nachricht, dass eine Auflösung des OSZ I vom Tisch ist, erleichtert mich sehr. Erst vor etwa einem Monat traf ich mich mit der Schulleitung des Hauses, Herrn Hähle und Frau Gerth, sowie dem Vorsitzenden des Brandenburgischen Berufsschullehrerverbandes, Thomas Pehle, vor Ort zum Gespräch. Sie schilderten nachvollziehbar, dass die bisherigen Lösungsvorschläge für die Zukunft der Ausbildungsgänge die Anforderungen und Lebensrealitäten beruflicher Bildung völlig außer Acht lassen. Zudem werde das große Potenzial ignoriert, das ein Haus bietet, das jungen Menschen mit unterschiedlichen Bildungshintergründen ein breites Spektrum an Ausbildungsoptionen aufzeigt. Daher freue ich mich sehr, dass dieses ganzheitliche Bildungsangebot Potsdam nun erhalten bleiben soll.

Argumentiert wurde häufig mit sinkenden Schüler*innenzahlen. Jedoch sollten diese in erster Linie Ansporn sein, berufliche Bildung zu stärken. Wie u. a. in Gesprächen mit der Handwerkskammer Potsdam, der IHK und einer Potsdamer Tischlerei im Rahmen meiner Sommertour 2021 immer wieder betont wurde, fehlt es schon jetzt überall an dringend benötigten Fachkräften. Diese werden für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes und nicht zuletzt auch zur Umsetzung ambitionierter Klimaschutzziele, z. B. bei der Energiewende, dringend benötigt.

Ich bedaure hingegen sehr, dass die nun beschlossene Gesamtlösung gleichzeitig auch eine Weichenstellung hin zu mehr Gymnasial- statt Gesamtschulplätzen darstellt und damit deutlich hinter der Vereinbarung der Rathauskooperation zurückbleibt. Diese hielt fest, dass nur weiterführende Schulen errichtet werden sollen, die alle Schulabschlüsse anbieten. Potsdam entfernt sich mit der vorliegenden Lösung also von seinem Anspruch, soziale Ungleichheit in unserem Schulsystem strategisch zu bekämpfen und Chancengleichheit nachhaltig zu stärken.

Besonders bestürzt hat mich am gesamten Vorgang aber der Umgang mit den betroffenen Schüler*innen, Lehrer*innen und Schulleitungen. Immer wieder wurden Entscheidungen mit massiven Konsequenzen getroffen, ohne dass die Faktenlage transparent auf dem Tisch lag und vor allem ohne dass mit den Betroffenen gesprochen wurde.

Die Stadt Potsdam muss ihr eigenes Bekenntnis zu Transparenz und Beteiligung ernst nehmen, gerade wenn es um folgenschwere und schwierige Entscheidungen geht. Insbesondere schmerzhafte Konfliktlösungsprozesse bedürfen unbedingt einer öffentlichen und nachvollziehbaren Abwägung von Argumenten und Kosten, um in der Breite akzeptiert zu werden. Die Frage, wie wir die Bildungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in unserer Stadt gestalten, sollte diesen Aufwand wert sein. Im Bereich der Transparenz und Beteiligung ist es höchste Zeit, dass unsere Stadt deutliche Lernfortschritte erzielt.

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