Humanität duldet keinen Aufschub mehr: 50 Kinder sind zu wenig

PRESSEMITTEILUNG vom 08.04.2020

Zum Beschluss der Bundesregierung, 50 unbegleitete Minderjährige aus den griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen, sowie zur aktuell schwierigen Situation der Zivilgesellschaft, dagegen zu protestieren, erklärt die Potsdamer Abgeordnete und innenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, MARIE SCHÄFFER:

Der heutige Beschluss der Bundesregierung ist nicht mehr als ein Feigenblatt für das fehlende Verantwortungsgefühl und die Ignoranz gegenüber dem Leid der Menschen in den Geflüchtetenlagern auf den griechischen Inseln. Nur 50 von insgesamt etwa 2000 unbegleiteten Kindern und Jugendlichen in den Lagern aufzunehmen, ist in Anbetracht der sich auch gesundheitlich zuspitzenden Lage kein erster Schritt, sondern bitteres Versagen.

Jetzt ist nicht der Moment, auf die bisher ausgebliebenen festen Zusagen anderer europäischer Staaten zur Aufnahme Geflüchteter zu warten und Maßnahmen nur zu beginnen. Es geht um jeden Tag, es geht um Menschenleben.

Das zögerliche Handeln der Bundesregierung ist auch deshalb verfehlt, weil es das breite und eindeutige Bekenntnis aus Politik und Zivilgesellschaft ignoriert, das seit Wochen und Monaten die Bereitschaft zur Aufnahme von Geflüchteten signalisiert und fordert. Hervorzuheben ist hier das Engagement verschiedener brandenburgischer Städte – zum Beispiel von Potsdam, Frankfurt oder Teltow. Der Brandenburger Landtag hat bereits im Januar seine Bereitschaft erklärt, unbegleitete minderjährige Geflüchtete im Land aufzunehmen und eine Lösung auf Bundesebene voranzubringen.

Zweieinhalb Monate später und im Angesicht einer Pandemie ist es eine humanitäre Bankrotterklärung, dass in den Lagern weiterhin Menschen unter unwürdigen Bedingungen leben müssen. Das Feigenblatt der Aufnahme von 50 Kindern ändert daran nichts.

Menschenrechtsorganisationen wie die Seebrücke stellt die aktuelle Situation während der Corona-Pandemie vor besondere Herausforderungen. Die Einschränkungen des Versammlungsverbots erschweren es massiv, den notwendigen Protest gegen die sich verschärfende Not der Menschen in die Öffentlichkeit zu tragen und die in der Bevölkerung vorhandene Solidarität den politischen Entscheidungsträgern vor Augen zu führen.

Die Abwägung zwischen dem Grundrecht, gemeinsam zu protestieren, und dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, das durch die Ausbreitung des Coronavirus gefährdet wird, ist für unseren freiheitlichen Rechtsstaat ein schwieriger Spagat, der sich nur schwer aushalten lässt. Unsere Gesellschaft kann auf die Kritik durch eine aktive Zivilgesellschaft nicht verzichten. Diese gilt es, auch und gerade in der Krise sicherzustellen, ohne dabei die Maßnahmen zum Infektionsschutz zu unterlaufen.

Ich setze mich deshalb dafür ein, dass die Verhältnismäßigkeit stets neu geprüft wird und es keine pauschalen Verbote gibt, rufe aber gleichzeitig alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, die aktuellen Kontaktsperren zu beachten und andere nicht zu gefährden.

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