Meine Sommertour 2020 stand unter dem Motto „Update Demokratie: Wie steht es um den Zusammenhalt?“. Ich besuchte ganz unterschiedliche Orte in Potsdam und Potsdam-Mittelmark, die vom besonderen Engagement unserer Mitmenschen leben, und habe mir Zeit genommen, mit den Engagierten über ihre Arbeit, ihre Schwierigkeiten und ihren Umgang mit der Coronavirus-Pandemie zu sprechen.
Gespräche mit geflüchteten Menschen
Als asylpolitische Sprecherin meiner Fraktion ist es mir ein besonderes Anliegen, mit geflüchteten Menschen im Dialog zu sein. Dazu habe ich während der Sommertour die Gemeinschaftsunterkunft in der Potsdamer Zeppelinstraße besucht und mich mit Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen ausgetauscht. Außerdem war ich bei der Flüchtlingshilfe Babelsberg e. V. zu Gast und nahm an deren wöchentlichem Erzählcafé teil. Zuletzt führte mich meine Sommertour in den Integrationsgarten am Schlaatz zu einem Treffen mit Menschen, die sich bei Hand in Hand Potsdam e. V. in einer tollen Gemeinschaft engagieren – für gegenseitiges Verstehen und gegenseitige Unterstützung, für ein bisschen Selbstversorgung mit frischem Gemüse, für Jugendbildung und für eine grüne Oase in der Stadt.
Gerade durch die persönlichen Gespräche wurde mir noch einmal deutlich, wie belastend es ist, wenn Asylverfahren mehrere Jahre dauern, Berufsabschlüsse nicht anerkannt und Arbeitsgenehmigungen nicht erteilt werden. Ich habe durch die Bank weg mit Menschen gesprochen, die nur darauf warten, sich hier mit ihrem Know-how und ihrer bisherigen Erfahrung einbringen zu können. Zum Beispiel als Krankenpfleger*innen, Geburtshelfer*innen, Erzieher*innen oder Lehrer*innen. Ihnen werden auf ihrem Weg in den deutschen Arbeitsmarkt und in ein eigenes Zuhause aber immer noch erhebliche Steine in den Weg gelegt, was schon ganz grundsätzlich bei der Verfügbarkeit von Sprachkursen anfängt.
Neben den vielen politischen Baustellen braucht es auch mehr Engagement aus der Gesellschaft heraus. Wer Deutsch lernt, braucht beispielsweise Muttersprachler, die sich mit ihr*ihm unterhalten wollen und die kleine Fehler verzeihen. Hier gibt es viele tolle Initiativen, wie z. B. das Erzählcafé in Babelsberg oder Hand in Hand Potsdam, die sich alle über mehr Menschen freuen würden, die mitmachen!
Besonders schockiert haben mich die Berichte über die Corona-Situation in den Gemeinschaftsunterkünften. Alle Beteiligten versuchten, mit viel Engagement aus den viel zu beengten Verhältnissen das Beste zu machen. Aber jedem muss klar sein, dass Infektionsschutz unter diesen Bedingungen nicht angemessen gewährleistet werden kann.
Es ist gut, dass Potsdam sich auf den Weg macht, möglichst bald alle Geflüchteten in Wohnungen oder wohnungsähnlich unterzubringen. Leider geschieht dies jedoch in vielen anderen Kommunen noch nicht, und auch in Potsdam ist für dieses Ziel noch ein langer Weg zu gehen. Unsere Gesellschaft muss sich daran messen lassen, wie wir mit denjenigen umgehen, die nach teils extrem traumatischen Fluchterfahrungen am dringendsten auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind – nicht nur während einer Pandemie.
Nachhaltigkeit ist dort, wo die Menschen leben
Neben dem Integrationsgarten am Schlaatz besuchte ich einen weiteren städtischen Gemeinschaftsgarten: die vom Verein StadtrandELFen gegründete Habichtwiese in Potsdam-Bornstedt. Beide Projekte verdeutlichen wunderbar, wie wichtig diese Gärten sind: als Orte der Erholung und Bildung, als Natur- und Lebensraum, der auch das Stadtklima positiv beeinflusst, sowie als Ort für soziales Miteinander und kreative Betätigung. Letzteres gilt gerade dort, wo soziale Infrastruktur fehlt – wo es keine Vereinsräume und Restaurants, sondern fast nur Wohnhäuser gibt.
Nachhaltig beeindruckt hat mich auch mein Besuch in der Gartenstadt in Potsdam Drewitz mit unserer Stadtentwicklungsexpertin Ricarda Budke. Die Gartenstadt soll der erste emissionsfreie Stadtteil Potsdams werden und ist bereits jetzt ein deutschlandweit bekanntes Vorzeigebeispiel für sozial und ökologisch nachhaltige Stadtentwicklung. Ergänzend haben Ricarda und ich noch das Potsdamer Nachhaltigkeitsinstitut IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) besucht und uns über deren spannende Projekte in diesem Bereich informiert.
Wie uns der nachhaltige Wandel in der Stadtentwicklung gelingt, darüber habe ich auch mit spannenden Gästenauch auf einer Podiumsveranstaltung mit Publikumsgespräch im Babelsberger Thalia-Kino diskutiert. Ein ausführlicher Bericht über diese Diskussion folgt.
Ab nach Draußen
Drei Sommertourtage führten mich über die Potsdamer Stadtgrenzen hinaus: Ich besuchte die Freiwillige Feuerwehr in Stahnsdorf, unternahm eine Radtour, um mir einen Eindruck vom Anliegen der Bürger*inneninitiatie „Depo-Nie in der Fresdorfer Heide“ zu verschaffen, und schaute mir in Bad Belzig und Wiesendorf Zukunftsorte an.
Auf den Freiwilligen Feuerwehren im Land lastet viel Verantwortung. In unserem Gespräch schilderte mir die Feuerwehr Stahnsdorf unter anderem ihre Nachwuchssorgen. Gerade in Gemeinden im Berliner Umland leben viele Pendler*innen, die ihren sozialen Lebensmittelpunkt nicht an ihrem Wohnort haben und sich deshalb auch weniger vor Ort engagieren. Damit gerät nicht nur unser System der öffentlichen Gefahrenabwehr in Gefahr, sondern es schwindet auch der soziale Zusammenhalt. Dieser Entwicklung müssen wir als Gesellschaft auf allen Ebenen entgegen wirken – ein Faktor dabei ist auf jeden Fall die Stärkung der lokalen Gemeinschaft, in der jede*r akzeptiert ist und sich einbringen kann.
In der Fresdorfer Heide um Michendorf traf ich Bürger*Innen, die sich seit Jahren gegen die Pläne einer Firma engagieren, eine Abbaugrube für Kies zu einer Abfalldeponie umzuwandeln. Während einer Fahrradtour durch die wunderschöne Heidelandschaft berichteten mir Vertreter*innen der Bürgerinitative Depo-Nie in der Fresdorfer Heide den aktuellen Stand der laufenden Einwendungen und die drohenden Gefahren für das direkt angrenzende Naturschutzgebiet.
Ganz besonders viel Spaß hat mir als digitalpolitische Sprecherin der Fraktion der Besuch der „Smart Village Region“ Bad Belzig und Wiesenburg mit meinem Fraktionskollegen Heiner Klemp gemacht. Das Coconat in Bad Belzig ist einer der ersten „coworking spaces“ in Brandenburg, an dem produktives Arbeiten und Erholung zusammengedacht wird. Beim KoDorf in Wiesenburg handelt es sich um eine in Planung befindliche moderne Wohnanlage, die viel Wert auf kreativen Gemeinschaftsraum legt. Beide Projekte zeigen, dass die Zukunft Brandenburgs sozial, digital und nachhaltig sein kann, wenn wir sie mit Enthusiasmus und Engagement gestalten.
Fazit
Ich hatte bei meiner Sommertour die Gelegenheit, viele interessante und engagierte Menschen zu treffen, die alle auf ihre Art am gesellschaftlichen Zusammenhalt mitarbeiten. Ich habe in zahlreichen Gesprächen viel erfahren über die kleinen und die großen Schwierigkeiten und Probleme im Land, aber vor allem viel Ansporn und Motivation gewonnen von den vielen Engagierten, die mit ihren Ideen und ihrem Mut aktiv unsere Gesellschaft und unsere Zukunft gestalten wollen.
Sommertour in ausgewählten Bildern
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