Auf Antrag der CDU-Fraktion diskutierte der Landtag Brandenburg heute das Thema „Künstliche Intelligenz – Brandenburg als Innovationsstandort etablieren„. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sprach zu diesem Thema Marie Schäffer. Es gilt das gesprochene Wort:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ krankt – wie viele andere Begriffe, die sich zu einem Industrieweiten Hype entwickeln auch – an einer sehr schwammigen Definition verbunden mit einem starken Anreiz, ihn als Label für eigene Produkte zu nutzen um Fortschrittlichkeit zu signalisieren.
Das führt dazu, das vieles, was unter dem Stichwort „KI“ verkauft wird, wenig damit zu tun hat. Hin und wieder hat sich dann auch mal herausgestellt, dass Aufgaben, die angeblich von einer KI erledigt wurden in Wirklichkeit an Niedriglöhner in Indien ausgelagert wurde.
Gleichzeitig gibt es natürlich eine sehr realen Kern Wahrheit am Hype. Die zunehmende Automatisierung von immer mehr Aufgaben, die bisher von Menschen erledigt wurden, wird in absehbarer Zukunft unsere Wirtschaft und Gesellschaft massiv verändern.
Und ein großer Teil dieser Automatisierung wird möglich durch Techniken, die wir üblicherweise unter dem Begriff Künstliche Intelligenz zusammenfassen. Dabei besonders hervorzuheben ist die atemberaubende Entwicklung im Bereich der künstlichen Neuronalen Netze.
Diese selbstlernenden Systeme zum Erkennen und Generieren von Mustern haben uns in den letzten Jahren erstaunliche Fortschritte gebracht. Sei es in der Bilderkennung, seien es Bilder oder Kompositionen, die nicht mehr ohne weiteres von menschengemachten Werken auseinanderzuhalten sind oder auch die unendlichen Möglichkeiten die sich aus der automatischen Analyse riesiger Datenmengen ergeben.
In verschiedensten Bereichen von autonomen Fahrzeugen jeder Größe über industrielle Produktion, Verwaltung und Bilderkennung in der Medizin können diese Techniken für Umbrüche und Fortschritte sorgen. Diese Transformation gilt es aktiv zu gestalten. Denn damit können gleichzeitig Fehler oder Diskriminierungen verschleiert, Machtverhältnisse zementiert und Verantwortlichkeiten verwässert werden.
Die aktuelle Europäische Kommission hat mit einem Vorschlag für eine Verordnung über KI gezeigt, wo die Reise hingehen kann. Dazu zählt auch, bestimmte Systeme zur automatischen Entscheidungsfindung grundsätzlich nicht in der EU zuzulassen, weil sie mit unserem Verständnis von Rechtsstaat und allgemein gültigen Menschenrechten schlichtweg nicht vereinbar sind. Eines dieser Beispiele ist Social Scoring oder bestimmte Formen von Echtzeitüberwachung mit biometrischen Systemen.
Akzeptanz und Rechtssicherheit im Einsatz von ADM-Systemen kann eben auch bedeuten, sehr früh eine rote Linie zu ziehen und den Einsatz im öffentlichen Raum oder durch öffentliche Stellen zu untersagen. Hier hat die Kommissionspräsidentin in ihren Stellungnahmen sehr weise herausgestellt, dass bestimmte Verbote notwendig sind um einen sicheren und akzeptierten Raum zum Experimentieren zu eröffnen.
Der Diskurs über die ethischen Grenzen des Einsatzes von KI ist ein sehr spannender und wird vor allem auf europäischer und internationaler Ebene zunehmend konkret und qualifiziert geführt. Daran beteiligen sich neben Politik und Forschung auch verschiedene Organisationen der Zivilgesellschaft, die immer wieder anmahnen, die gesellschaftlichen Folgen rechtzeitig zu bedenken. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle die Organisation AlgorithmWatch, die hier hervorragende Arbeit leistet sowohl beim Aufzeigen von Gefahren als auch beim Bereitstellen von Hilfestellungen z.B. für Verwaltungen, was man beachten sollte.
Wollen wir Künstliche Intelligenz im Land Brandenburg? Diese Frage stellt sich gar nicht, denn egal welche Definition man zugrunde legt, werden Machine Learning und ADM-Systeme in immer mehr Bereichen eine Rolle spielen. Wenn wir diesen Transformationsprozess fördern wollen, stellt sich die Frage, wie.
Ein klassische Industrieförderprogramm hätte die Schwierigkeit, dass angesichts der Vielfalt und – vorsichtig gesagt – Qualitätsunterschiede im Markt eine zielgerichtete und effektive Förderung nur mit viel eigenem KnowHow und einigem Aufwand möglich wäre.
Viel wichtiger ist es aus meiner Sicht auch, kleine und mittlere Unternehmen generell bei der digitalen Transformation zu unterstützen. Denn die Neugestaltung von Prozessen und der Aufbau von Knowhow um die Technik bestmöglich einzusetzen sind zunächst die deutlich größere Herausforderung und der deutlich größere Umbruch, als das Einsetzen irgendeiner „KI-Lösung“. Selbiges gilt übrigens natürlich genauso für Behörden 😉
Einen ersten Schritt zu einer anderen Art der Unterstützung sind wir im letzten Plenum mit dem Antrag „Open Data“ gegangen. Denn frei nutzbare Daten sind für Maschine Learning-Innovationen eine wichtige Zutat.
Und zu guter Letzt möchte ich die Gelegenheit hier nutzen um dafür zu werben, der Informatik in Schulen und Hochschulen in Brandenburg das Maß an Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, das sie verdienen angesichts des zunehmenden Einflusses und der Relevanz, die dies hat und haben wird. Dazu gehört aus meiner Sich übrigens auch, dass Ethik und Technikfolgenabschätzung fest in Informatik-Studiengänge integriert sein sollte. Denn die Entscheidungen, die Programmierer*innen in ihrer Arbeit treffen können massive Auswirkungen auf Menschen und Gesellschaft haben.
Mit diesem letzten Gedanken möchte ich meine Rede nun beenden, denn wir werden sicherlich noch einige Gelegenheiten bekommen dieses Thema hier im Landtag miteinander zu diskutieren.
Vielen Dank.
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