Die Veröffentlichung des Tätigkeitsberichts der Parlamentarischen Kontrollkommission für das Jahr 2021 und seine Diskussion im März-Plenum des Landtags bietet die Gelegenheit, die Arbeit der Kommission einmal konkreter vorzustellen. Ich möchte sie gern nutzen, denn ansonsten findet unsere Arbeit der Sache entsprechend im Geheimen statt.
Aufgaben und Mitglieder
Die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) hat die Aufgabe, stellvertretend für den gesamten Landtag die Landesregierung in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zu kontrollieren. Die Landeregierung muss dafür entsprechende Informationen u. a. zur allgemeinen Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde, zu Vorgängen von besonderer Bedeutung sowie auf Verlangen der Kommission auch zu Einzelfällen zur Verfügung stellen.
Die aktuellen Mitglieder der PKK sind neben mir die Abgeordneten Inka Gossmann-Reetz (SPD), Björn Lakenmacher (CDU), Marlen Block (DIE LINKE) und Matthias Stefke (BVB/FREIE WÄHLER. Außerdem nehmen der Ständige Bevollmächtigte der PKK und die Kommissionsreferentin sowie Vertreter*innen des Innenministeriums sowie der Verfassungsschutzbehörde teil. Nach Absprache können auch die jeweiligen Fachreferent*innen der Fraktionen teilnehmen. Die Kommission tagt alle sechs bis acht Wochen und verfasst jährlich einen Bericht für den Landtag.
Schwerpunkthemen
Das aktuelle Lagebild war wie auch im vergangenen Jahr geprägt durch Aktivitäten im Phänomenbereich Rechtsextremismus, entgrenzter Rechtsextremismus sowie extremistische Bestrebungen im Umfeld der Proteste gegen Corona-Maßnahmen.
Außerdem hat sich die Kommission weiter intensiv mit der Einstufung der AFD als extremistischer Verdachtsfall beschäftigt. Dass eine Partei, die die zweitgrößte Fraktion im Landtag stellt, als Verdachtsfall eingestuft wird, ist fraglos ein besonderer Vorgang. Daher widmet die Kommission der laufenden Bewertung der Angemessenheit dieser Einstufung besondere Aufmerksamkeit.
Verbesserungen für die Kommissionsarbeit
Der Bericht verweist auf die „deutlich vergrößerten thematischen und zeitlichen Umfäng[e] der Sitzungen“. Aber ein Zeichen der Qualität ist weniger, wie viel Zeit wir miteinander verbringen, sondern vor allem die gesteigerte Tiefe der Behandlung von wichtigen Fragen. Das ist einerseits Ergebnis der 2019 geänderten Rechtslage, die dazu geführt hat, dass bestimmte wichtige Informationen turnusmäßig aufgerufen werden – beispielsweise die Ablehnung von Auskunftsersuchen, ein Überblick über G10-Maßnahmen, Observationen, das Tätigwerden von Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder in Brandenburg oder auch Verdachtsfälle der Begehung von Straftaten bei Maßnahmen nach §§ 6a und 6b BbgVerfSchG. Andererseits ist die gesteigerte Kontrolltiefe auch deshalb möglich, weil seit der Gesetzesänderung die Kommissionsmitglieder von Referent*innen unterstützt werden können, was die Qualität der Vorbereitung auf die vielfältigen Themen deutlich verbessert hat.
Besonders hervorzuheben ist die Arbeit des Ständigen Bevollmächtigten. Ich bin sehr froh, dass im letzten Jahr die offenen Stellen in der Geschäftsstelle besetzt werden konnten. Auch wenn die Erfahrungen sich bisher nur auf einen kurzen Zeitraum beziehen, so sind sich meines Erachtens alle Kommissionsmitglieder einig, dass sich die Einrichtung der Stelle des Ständigen Bevollmächtigten deutlich bewährt hat. Zu den Aufgaben von Ingo Borkowski und seinem Team zählen der Aufbau der nötigen Strukturen, die Vor- und Nachbereitung von Sitzungen und die Untersuchung von Sachverhalten auf Auftrag der Kommission.
Eine weitere wichtige Verbesserung besteht darin, dass der Ständige Bevollmächtigte nun auch von einer qualifizierten Minderheit der PKK-Mitglieder mit Untersuchungen beauftragt werden kann, sodass bestimmte Aufträge künftig nicht auf die Zustimmung der Vertreter*innen aus den Regierungsfraktionen angewiesen sind. Auch wurde eine Möglichkeit geschaffen, dass die PKK mit den anderen Kontrollgremien des Bundes und der Länder einen besseren Austausch pflegen kann, was aufgrund der länderübergreifenden Arbeit der Verfassungsschutzbehörden nur folgerichtig ist.
Lobend erwähnen möchte ich die Transparenz, die gegenüber der PKK von Seiten des Ministeriums und der Verfassungsschutzbehörde an den Tag gelegt wird, und die Offenheit für Wünsche nach Veränderung in der Berichterstattung. Wir alle wissen, dass es auch bei klaren gesetzlichen Informationspflichten auf die konkrete Umsetzung ankommt, wenn sie wirksam sein sollen.
Alte Lasten und neue Aufgabenfelder für den Verfassungsschutz
Im Besonderen haben die Vorgänge rund um den NSU das Vertrauen in die Verfassungsschutzbehörden erheblich beschädigt. Der Bericht stellt fest, dass den Lehren aus dem NSU-Untersuchungsausschuss konstruktiv begegnet wurde und dass bezüglich der Neuaufstellung der Behörde „sowohl in personeller als auch in struktureller Hinsicht ein beträchtlicher Teil des Weges zurückgelegt worden ist.“ Das Vertrauen in staatliche Institutionen zu sichern, war selten so wichtig wie aktuell. Nun wird uns die einhellige Feststellung der PKK-Mitglieder nicht davor bewahren, auch in Zukunft politische Diskussionen um Strukturen und Befugnisse des Verfassungsschutzes zu führen. Aber es ist mir wichtig zu betonen, dass es bereits deutliche Veränderungen zu dem Bild vom Verfassungsschutz gibt, das in vielen Köpfen noch vorherrscht.
Zur Neuausrichtung gehört auch die Einrichtung eines Referates für Cyberextremismus. In der Kommission haben wir uns ausführlich mit dem Thema beschäftigt und werden den weiteren Aufbau des Referates und seiner Fähigkeiten sehr intensiv begleiten. Als Reaktion auf steigende Bedrohungslagen bot der Verfassungsschutz im letzten Jahr eine Informationsveranstaltung zu Gefahren des Cyberextremismus für alle Abgeordneten im Landtag an.
Der letzte Absatz des Berichts verweist auf die Notwendigkeit, „bei künftigen Haushaltsberatungen ausreichende Mittel für Präventionsmaßnahmen gegen Extremismus in jeglicher Form, insbesondere im Bereich Rechtsextremismus, zur Verfügung zu stellen.“ Unser vordringlichstes Ziel muss es sein, Radikalisierung an allen Stellen entgegenzutreten bzw. ihre Entstehung bereits zu verhindern. Unsere Demokratie kann es sich nicht leisten, darauf zu verzichten. Das Untergraben unserer Demokratie, insbesondere mit Mitteln der Gewalt, ist niemals ein akzeptabler Weg, Veränderungen in unserer Gesellschaft einzufordern – egal mit welcher ideologischen Begründung.
Dieser Beitrag beruht auf meiner Plenarrede vom 23.03.2022. Sobald sie online ist, werden wir sie hier verlinken.
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