Am 4. November, einem kalten, regnerischen Donnerstag, hieß mich die Tafel Potsdam in ihren Räumen in der Drewitzer Straße in Potsdam-Waldstadt willkommen. Einen Tag lang unterstütze ich die ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen bei ihrer Arbeit. Das gab mir Gelegenheit, ausführlich ins Gespräch zu kommen: über Armutsbekämpfung und Lebensmittelverschwendung als wichtige Aufgaben unserer Zeit, über die konkrete ehrenamtliche Arbeit und aktuelle Probleme vor Ort, aber auch über Ideen, wie die Tafeln sich zu echten Kompetenzzentren für bedürftige Menschen weiterentwickeln können.
Seit 1998 verteilt die Tafel Potsdam nicht mehr verkäufliche Lebensmittel an Bedürftige. Aktuell werden mehr als 17 Tonnen Nahrung pro Woche eingesammelt, sortiert und an 1.200 Menschen im Großraum Potsdam verteilt. Unverzichtbar ist dabei die Arbeit der rund 150 ehrenamtlichen Helfer*innen – und es ist durchaus harte Arbeit: Zum Beispiel müssen schwere Kisten getragen und gammeliges Gemüse unter Zeitdruck aussortiert werden. Jedoch waren alle mit großer Überzeugung und Einsatzfreude dabei, viele von ihnen seit langen Jahren. Das hat mich sehr beeindruckt.
Mir ist auch noch einmal bewusst geworden, dass für die Tafeln der Kampf gegen Lebensmittelverschwendung genauso im Vordergrund steht wie der Kampf gegen Armut. So gehen Obst und Gemüse, das nur noch für Tiere genießbar ist, an Bäuer*innen in der Region. Und wenn am Ende des Tages noch Lebensmittel übrigbleiben, vermittelt die Tafel sie den Mitgliedern der Foodsharing-Gemeinschaft.
Es ist eine clevere Sache. – Dennoch bin ich der Meinung, dass die über 950 gemeinnützigen Tafeln in Deutschland Aufgaben übernommen haben, die eigentlich staatlich gelöst werden müssen. Das gilt insbesondere für die Armutsbekämpfung. Die Beträge, die Bedürftigen in Deutschland zustehen, reichen eben in vielen Fällen nicht, um über die Runden zu kommen. Die aktuell steigenden Lebensmittel- und Energiepreise werden dafür sorgen, dass in den kommenden Monaten noch mehr Menschen als bisher die Tafeln aufsuchen müssen. Die Verantwortung, sich um diese Menschen zu kümmern, darf nicht auf die Zivilgesellschaft abgewälzt werden. Deshalb werde ich mich auch künftig für so zentrale Bündnisgrüne Forderungen wie eine grundlegende Reform und Erhöhung der Grundsicherung mit Verzicht auf Sanktionen sowie ein Energiegeld für Bürger*innen einsetzen.
Im Gespräch mit Imke Eisenblätter, Geschäftsführerin von Tafel Potsdam e. V., erkundigte ich mich nach den pandemiebedingten Herausforderungen. Mit großem Einsatz der Ehrenamtlichen ist es gelungen, viele bedürftige Haushalte in Potsdam zu beliefern, als die Ausgabestellen schließen mussten. Die Einsamkeit und Abgeschlossenheit vieler armer Menschen zeigten sich währenddessen noch einmal besonders deutlich. Einige Tafel-Kund*innen schätzen es, bei der Abholung der Lebensmittel kurz ins Gespräch zu kommen. Das war nun nicht mehr möglich. Darüber hinaus gab es Anmeldungen für den nun vorhandenen Lieferdienst von Menschen, die gesundheitlich nicht mehr in der Lage sind, selbständig zur Tafel zu kommen. Bedürftige also, die die Tafel bisher nicht versorgen konnte. Imke Eisenblätter würde sich für diese Menschen ein dauerhaftes Lieferangebot wünschen und versucht aktuell, die Idee ins Rollen zu bringen.
Sie findet, die Tafeln hätten großes Potenzial zu echten Kompetenzzentren für bedürftige Menschen zu werden. Die Kund*innen vertrauen den Mitarbeiter*innen und der Institution Tafel. Hier könnten Brücken zu weiteren Beratungs- und Unterstützungsangeboten gebaut werden – z. B. für den Weg zurück ins Arbeitsleben, für Schuldenfreiheit oder einfach für mehr soziales Miteinander. Ich halte das für eine sehr interessante Idee. Denn eine zentrale Frage, die auch bei meiner Sommertour mehrmals aufkam, ist es, wie Initiativen die Menschen erreichen können, die Unterstützung brauchen. Dies könnte eine mögliche Antwort sein.
Vertrauen ist generell eine wichtige Ressource im Umgang mit sozial benachteiligten Menschen. Daher freue ich mich sehr, dass es den Koalitionsfraktionen im Parlament aktuell gelungen ist, die vom Kabinett geplanten Haushaltskürzungen im Bereich Soziales und Integration zu verhindern. So können notwendige und erfolgreiche Projekte, z. B. im Bereich Familienförderung und Integration, fortgesetzt werden. Personal bleibt erhalten, Ansprechpartner*innen wechseln nicht. Auch der Landesbeauftrage für Senior*innen behält seinen Etat.
Es war ein wirklich spannender und schöner Tag für mich. Neben dem gemeinsamen Mittagessen war das besondere Highlight natürlich der Moment, in dem die unzähligen gepackten Kisten fertig da standen und die ersten Menschen sich ihre Ration an frischen Lebensmitteln abholen konnten. Ich hoffe, meine Kolleg*innen für einen Tag waren mit meinem Arbeitseinsatz zufrieden, und danke herzlich für die freundliche Aufnahme, den spannenden Einblick und die interessanten Gespräche. Euer ausdauerndes und tatkräftiges soziales Engagement ist von unschätzbarem Wert für unsere Gesellschaft!
Dies war coronabedingt der erste „Praktikumstag“ in meinem Wahlkreis, dem noch viele weitere folgen sollen. Ich bin überzeugt, dass solche vertieften praktischen Einblicke ohne akuten Zeitdruck wichtig sind, um ein echtes Verständnis für verschiedene Lebensrealitäten entwickeln zu können und meiner Aufgabe als Vertreterin des Volkes im Landtag wirklich gerecht zu werden.
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