Petra Hagen, Thomas Brincker, Marie Schäffer und Wiebke Bartelt (v.l.n.r.) nach dem Gespräch im Jobcenter Potsdam

Das digitale Jobcenter

Ein Jobcenter soll für Menschen in schwierigen Lebenslagen ein Ort sein, der vor allem als Unterstützung und Hilfe wahrgenommen wird. Wie das gelingen kann, darüber habe ich mich an meinem Wahlkreistag im Februar mit dem Geschäftsführer des Potsdamer Jobcenters, Thomas Brincker, der Bereichsleiterin für Markt und Integration, Petra Hagen, und der Grünen Stadtverordneten Wiebke Bartelt vor Ort ausgetauscht. Neben der aktuellen Situation in der Stadt und den Auswirkungen der Pandemie waren der Stand der Digitalisierung und die damit verbundenen Chancen und Risiken die zentralen Gesprächsthemen.

Für etwa 8.000 Potsdamer*innen ist das Jobcenter aktuell zuständig. Davon sind jedoch nur 3.000 Personen arbeitslos. Die anderen stocken ihr geringes Einkommen auf. Das sind Zahlen, die verdeutlichen, dass wir noch weit entfernt sind von einer Gesellschaft, in der Lohngerechtigkeit herrscht. Die geplante Anhebung des Mindestlohns ist also dringend notwendig, genau wie der Ausbau guter und kostenfreier Betreuungsplätze für Kinder jeden Alters.

Viele Chancen, große Herausforderungen

Die Digitalisierung ist für das Jobcenter ein vielfältiger Prozess, der unumgänglich ist, viele Chancen bietet, aber auch Herausforderungen bereithält. Er vollzieht sich zum Teil nach innen, indem Abläufe neu organisiert werden. Dabei geht es auch um das Digitalisieren von Dokumenten und Akten sowie um den Ausbau der Home-Office-Option für Mitarbeiter*innen. Die wichtigste Frage ist aber natürlich, wie sich die Digitalisierung auf die Menschen auswirkt, die auf das Jobcenter angewiesen sind. Aufgrund der Pandemie hat sich die Arbeitsweise im Jobcenter geändert. Wozu man früher persönlich vorbeikommen musste, konnte nun per E-Mail oder Anruf erledigt werden. Das habe die Zufriedenheit der Kund*innen deutlich steigen lassen, wie regelmäßige Befragungen belegen.

Ich denke, es ist ein guter Weg, möglichst viele Anliegen niederschwellig, auf digitalem Wege erledigen zu können und sich beim persönlichen Beratungsgespräch vor Ort auf diejenigen zu konzentrieren, die dies möchten und brauchen. So kann das in vielerlei Hinsicht problematische System der Grundsicherung für alle Beteiligten etwas weniger belastend gestaltet werden. Für die Zukunft wünscht sich Herr Brincker, dass diese Flexibilität erhalten bleibt bzw. weiter ausgebaut wird – so einfach und bedarfsorientiert wie möglich. Dabei kann eine gut gestaltete IT-Infrastruktur eine essentielle Rolle spielen.

Ausführlich diskutiert wurden die Vor- und Nachteile einer zentralen versus dezentralen Steuerung des Digitalisierungsprozesses, die bei den Jobcentern aufgrund der verschiedenen Trägermodelle gut beobachtet werden können. Das Potsdamer Jobcenter befindet sich in geteilter Trägerschaft der Bundesagentur für Arbeit und der Landeshauptstadt; in den meisten anderen Kreisen Brandenburgs sind die Jobcenter in kommunaler Trägerschaft organisiert.

Fokus auf persönlicher Beratung

Automatisierung und Digitalisierung im Jobcenter sollen dazu führen, dass sich die Mitarbeiter*innen künftig vor allem darum kümmern können, wofür Maschinen nicht geeignet sind: die persönliche Beratung der Bürger*innen bei Aus-, Weiterbildung oder Jobsuche. Gleichzeitig waren sich alle Gesprächspartner*innen einig, dass Entscheidungen über Menschen keinesfalls allein von automatisierten Systemen getroffen werden dürfen – etwa über Mehrbedarfe, Sanktionen oder Fortbildungsmöglichkeiten. Grundsätzlich müssen Jobcenter auch für diejenigen da sein, denen es an der notwendigen Technik oder noch an Digitalkompetenz fehlt, oder die aufgrund komplizierter Lebenssituationen durch die üblichen Raster der digitalen Systeme fallen. Bei aller Notwendigkeit für gute digitale Angebote gilt daher: Analoge Angebote mit direkter Beratung müssen immer vorgehalten werden.

Ein weiteres wichtiges Diskussionsthema war die Komplexität der Antragsverfahren. Alle Gesprächspartner*innen erhoffen sich, dass mit der Einführung des im Koalitionsvertrag angekündigten Bürgergeldes auch ein deutlicher Bürokratieabbau erfolgt. Herr Brincker und Frau Hagen erklärten, dass sie sehr genau darum wissen, wie schwer verständlich die Bescheide und Formulare des Jobcenters zum Teil sind. Aber sie müssten die gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Der Ball liegt hier also eindeutig in politischer Hand. Das Jobcenter möchte hier gern mehr Informationen bereitstellen und arbeitet aktuell an der Aufsetzung einer eigenen Homepage. Perspektivisch könnten dort z. B. Videos veröffentlicht werden, die Antragsverfahren und Behördensprache einfach erklären.

Potsdamer Hotline

Wer Fragen oder Probleme hat, kann sich stets direkt an die dank Corona neu eingerichtete Regional-Hotline des Jobcenters wenden: 0331 880 4000. So lässt sich unkompliziert die richtige Person für das eigene Anliegen erreichen. Dahingegen lassen sich Dienstleistungen, die das Jobcenter bereits online anbietet, hier finden.

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